artifex 04/2024: Erlebniswelt Wasser
Vorlesen:
Heilwasser_aus deutschen Quellen
WASSER FÜR JEDEN GESCHMACK
(Foto: © Informationszentrale Deutsches Mineralwasser (IDM))
Wenn ein Satz in meinem Gedächtnis eingebrannt ist, dann der aus dem frühen Chemieunterricht in der Schule: Wasser ist geruchund geschmacklos. Die Überzeugung meines Chemielehrers musste ich damals hinnehmen, auch wenn ich mich gewundert habe, warum mir manche Sprudelwasser besser als andere »geschmeckt« haben.
Tatsächlich ist Wasser nicht gleich Wasser. Das Sprudelwasser aus der Flasche enthält mal mehr, mal weniger Kohlensäure, was so in der Natur nicht vorkommt, sondern von den Herstellern zugesetzt wurde. Vor allem aber stammt das Wasser aus unterschiedlichen Quellen, aus den Tiefen der Vogesen, der Eifel oder den Alpen, dort, wo gerade der Produzent seinen Sitz hat. Denn amtlich anerkanntes Mineralwasser muss immer an der Quelle abgefüllt werden, so schreibt es das Gesetz vor.
Die unterschiedlichen Quellen erklären aber auch, warum Wasser unterschiedlich schmeckt – weil sich die Zusammensetzung unterscheidet. »Jedes der über 500 deutschen Mineralwässer ist so individuell wie die Region, aus der es stammt«, schreibt die Informationszentrale Deutsches Mineralwasser (IDM) auf ihrer Website. »Die Zusammensetzung des reinen Naturprodukts und damit auch sein Geschmack sind abhängig vom Boden, durch den es bei einer Entstehung sickert.«
Tatsächlich fiel das Mineralwasser einst als Regen auf die Erde und versickerte im Boden. Auf dem Weg in die Tiefen, bis es sich unterirdisch sammelte, reinigten und filterten die unterschiedlichen Gesteinsschichten das Wasser und reicherten es gleichzeitig mit Mineralien an. Je nach geologischer Beschaffenheit verändert sich die Zusammensetzung der Mineralien – und das sorgt für geschmackliche Unterschiede.
Was Laien für sich unbewusst feststellen, haben die sogenannten Wassersommeliers professionalisiert. Sie trainieren ihre Zunge gezielt, um die Unterschiede herauszuschmecken. Zu den bekanntesten Wassersommeliers zählen Dr. Peter Schropp und seine Frau Marion. Was auch daran liegt, dass er 2011 die Wassersommerlier-Union (WSU) in München gründete, die seitdem in diesem Metier ausbildet. Die Gründung hing auch mit seinem Job zusammen: Schropp ist Mitglied des Teams für Genuss und Sensorik bei einem der bekanntesten Aus-, Weiterbildungs- und Beratungsinstitute für die Brau-, Getränke- und Lebensmittelindustrie, der 1893 gegründeten Doemens Academy GmbH in München.
»JEDES DER ÜBER 500 DEUTSCHEN MINERALWÄSSER IST SO INDIVIDUELL WIE DIE REGION, AUS DER ES STAMMT.« IDM
Rund 250 Wassersommeliers gibt es mittlerweile in Deutschland, die die unterschiedlichsten Einsatzfelder beackern. So arbeiten sie beispielsweise in Restaurants, um dort Gäste bei der Auswahl von Mineralwassern zu beraten. Denn je nach Mineralienzusammensetzung und -gehalt kann das den Geschmack von Weinen, aber auch Gerichten beeinflussen. Im Handel kann er über unterschiedliche Wasserarten (siehe Kasten »Kleine Wasserkunde«) beraten, aber auch in der Lebensmittelindustrie entscheidend daran mitwirken, welches Wasser für sich für die Produktion von Lebensmitteln am besten eignet.
Dass das in der Praxis tatsächlich funktioniert, kann jeder selbst ausprobieren, wenn er mehrere Mineralwassersorten parallel verkostet. Die feinen Unterschiede kann dann der Profi erklären. Der hat es dann aber auch über mehrere Wochen intensiv gelernt und knapp 3.000 Euro in diese Ausbildung investiert. Die meisten gehen aber nach dem klassischen Kriterium: Schmeckt oder schmeckt nicht – rund zwei Drittel aller Mineralwasserkonsumenten kaufen das Wasser, weil es ihnen schmeckt.
Überlebenswichtig ist das Wasser ohnehin – und in einer schon älteren Studie der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2018 trinken 69 Prozent der Menschen regelmäßig Mineralwasser. Allerdings ist der Konsum im letzten Jahr gegenüber 2022 leicht zurückgegangen: 2023 konsumierten die Deutschen 123 Liter pro Kopf – 9,6 Milliarden Liter Mineral- und Heilwasser.
Kleine Wasserkunde (gilt in Deutschland)
Natürliches Mineralwasser
Das Wasser muss natürlichen Ursprungs sein, aus einem unterirdischen Vorkommen stammen und vor Verunreinigungen geschützt sein. Die Abfüllung muss am Quellort erfolgen und amtlich anerkannt sein. Das umfasst mehr als 200 geologische, chemische und mikrobiologische Untersuchungen.
Heilwasser
Wie natürliches Mineralwasser stammt es aus vor Verunreinigung geschützten, unterirdischen Wasservorkommen und muss am Quellort abgefüllt sein. Zusätzlich zur amtlichen Anerkennung kommt das Arzneimittelgesetz: Dem Wasser muss eine durch wissenschaftliche Untersuchungen vorbeugende, lindernde oder heilende Wirkung bescheinigt werden.
Quellwasser
Das stammt aus unterirdischen Wasservorkommen und wird an der Quelle abgefüllt, ist aber nicht amtlich anerkannt. Auch für Quellwasser gilt die sogenannte Mineral- und Tafelwasserverordnung, aber es gelten niedrigere Reinheitsanforderungen.
Tafelwasser
Nicht die Natur, sondern die Industrie stellt Tafelwasser her – in der Regel aus unterschiedlichen Wasserarten und es darf auch Mineralstoffe und Kohlensäure enthalten, die die Hersteller zugesetzt haben. Es muss aber den Vorgaben für Trinkwasser entsprechen.
Trinkwasser
Das ist das Wasser, was aus dem Hahn fließt und auch Leitungswasser genannt wird. Laut Informationszentrale Deutsches Mineralwasser (IDM) besteht es zu einem Drittel aus Oberflächenwasser, also Flüsse, Seen oder Talsperren, die weiteren zwei Drittel stammen aus Grundwasser. In der Regel muss der Versorger laut Trinkwasserverordnung das Trinkwasser aufbereiten, also reinigen, desinfizieren und in seiner Zusammensetzung verändern.
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