artifex 04/2024: Erlebniswelt Wasser
Vorlesen:
Surfen_trotz und gegen Depressionen
MIT SURFEN die innere Balance finden
Trauer und Antriebslosigkeit nahmen einem Handwerker die Kraft zum Arbeiten. Er verkaufte den Betrieb und ist seitdem immer wieder auf Reisen. Was ihm im Alltag hilft, ist seit einem Jahr seine Freundin, sein Hund Turner und auf seinen Reisen mit dem Surfbrett die Energie des Wassers zu spüren. Korpack (Foto: © M. Korpack)
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BRIGITTE KLEFISCH
S tephan Krusch ist ein Macher im Handwerk. Als gelernter Gas- und Wasserinstallateur übernahm er 2008 den Betrieb seines Stiefvaters. Stephan ist da gerade 26 Jahre alt. Ein Handwerker, wie er im Buche steht. »Ich bin immer ein Macher gewesen«, ist Stephan stolz, dass er seine Ziele immer umgesetzt hatte. Welche Motivation es aber brauchte und welche Kraft, das haben nur wenige geahnt. Die Menschen nahmen den salopp wirkenden Stephan als fröhlichen und energiegeladenen Menschen wahr. Doch in nerlich sah es in Stephan Krusch ganz anders aus. Er war an einer Depression erkrankt. »Viele verunglimpfen solch eine Tatsache und sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen.« Die Reaktion auf mentale Erkrankung: Ach was, das kann nicht sein. Die Folge: Erkrankte fühlen sich nicht ernst genommen.
»JEDE WELLE IST ANDERS, JEDER WINDZUG. ES IST EINE HERAUSFORDERUNG, MIT DEN ENERGIEN UMZUGEHEN.« STEFAN KRUSCH
Im Laufe der Zeit wuchs die Belegschaft auf neun Mitarbeiter an. Und damit auch die Verantwortung. Büro, Akquise, zwischendurch immer wieder raus auf die Baustelle. Zehn bis zwölf Stunden am Tag waren nix. Plus am Wochenende Buchhaltung und Büro. Der Spagat des Unternehmers Krusch wurde immer stressiger. Einen Abstand zum Arbeitsalltag zu nehmen war schwierig. Es folgten private Probleme, dazu der Stress im Beruf und zunächst glaubte er, in einen Burnout gerutscht zu sein.
RECHTZEITIG DIE NOTBREMSE ZIEHEN
»In der Zeit habe ich den Glauben an alles verloren.« Neben den psychischen Problemen stellten sich körperliche Probleme ein. Eins kam zum anderen. »Es ging immer weiter bergab.« Der Handwerksunternehmer zog die Notbremse. Er verkaufte seinen Betrieb. Ein Wohnmobil wurde angeschafft. Frei von Verantwortung und dem stets klingelnden Handy startete er zunächst mit seinem Hund Turner zu einer Weltreise. Der Druck fiel ab. Es ging ihm besser. Das war 2016. Seit dieser Zeit reist der leidenschaftliche Surfer nunmehr um die Welt. Länger als drei Monate hält er es zu diesem Zeitpunkt an keiner Stelle aus. »Ein anstrengendes Leben«, betont der heute 42-Jährige, dass es Momentaufnahmen sind, in denen er wirklich mit sich und dem Leben zufrieden war.
Es ist die Leidenschaft für das Surfen, an die sich Stephan anfangs klammern kann. Im Vordergrund stand zunächst die sportliche Ambition, das eigene Können bei jeder neuen Welle unter Beweis zu stellen. Später merkte er, die wohltuende meditative Wirkung, die vom Wasser ausging. »Jede Welle ist anders, jeder Windzug. Es ist eine Herausforderung, mit den Energien umzugehen. « In solchen Momenten ist Stephan eins mit dem Ozean. Die vielen Begegnungen mit anderen Menschen und eine neue Beziehung helfen inzwischen mehr Stabilität in das Leben zu bringen. In den Sommermonaten ist er wieder in Deutschland und der Schweiz auf Montage und übt sein Handwerk aus. Doch irgendwann muss Stephan wieder los. Zurück zu den Wellen und dem Meer. »Für mich ist das eine feste Struktur, so wie ich es leben kann.«
Studien
In mehreren Studien wurde aufgezeigt, welchen positiven Einfluss das Meer auf das menschliche Wohlbefinden hat. Eine der bekanntesten ist eine Studie von Mathew P. White, die 2013 in der Zeitschrift »Health & Place« veröffentlicht wurde. Die Studie zeigte, dass Menschen, die in der Nähe des Meeres leben, eine bessere psychische Gesundheit aufweisen.
artifex 04/2024: Erlebniswelt Wasser - Seite 54