artifex 01/2020: Kochen
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Manege frei für den Eintopf
(Foto: © Inga Geiser)
LEIDENSCHAFT: Er beherrscht sein Handwerk, zerstört es, erfindet es wieder neu und beweist ganz nebenbei mit überschäumender Lebenslust, wie viel Kreativität im Beruf des Metzgers steckt.
Peter Inhoven - Was habe ich und was kann ich daraus machen? Mit einem glücklichen Grinsen im Gesicht zeigt Peter Inhoven auf seine schwarze Schürze mit den großen goldenen Buchstaben. Für das aktuelle Firmenlogo hat der Düsseldorfer kurz seinen Namen aufgedröselt und wieder neu zusammengesetzt. Damit zeigt sich der Fleischstylist einmal mehr als Jongleur der Worte. "Ich liebe Wörter, weil ich dadurch ein wenig interessieren und ein bisschen kontrovers sein kann. Ich finde, man sollte seinen Beruf ähnlich wie ein Künstler betrachten. Das Werk beherrschen, zerstören und neu erfinden. Von einer anderen Perspektive darüber schauen, Kraft daraus schöpfen und den Leuten eine neue Interpretation zeigen. Das ist das Schöne daran. Zu zeigen, dass man ein einfaches Handwerksprodukt auch anders präsentieren kann."
Viel mehr als eine Phosphatstange
Das gelingt dem Handwerksmeister vorzüglich in der Manege seines Wurstzirkus. Seit Jahren tourt Peter Inhoven mit der appetitlichen Bratwurstshow erfolgreich durch Deutschland. Besucht angesagte Events ebenso wie Kitas. Ohne Netz und doppelten Boden offenbart der sprachgewandte Inhoven einem meist hungrigen Publikum, dass eine Bratwurst viel mehr sein kann als nur eine Phosphatstange. Witzig. Eloquent. Handwerklich. "Es ist schön zu beweisen, wie gut ein so grundlegender Artikel wie eine Bratwurst vom deutschen Fleischerhandwerk schmeckt", begeistert Peter Inhoven mit seiner geliebten Handwerkskunst Jung und Alt für die fein gewürzten Gourmetstängchen mit so ausgefallenen Namen wie Politbüro, Shanghai Tiger, King of Laos oder Transsylvanische.
Liegt es am magischen Duft der Würstchen? Dem extravaganten Erscheinungsbild in der blütenweißen Uniform eines Schiffsstewards? Oder einfach an der fröhlich rheinischen Art? Mit der "mobilsten Wurstmanufaktur der Republik" schafft es Inhoven regelmäßig in die Medien. Schnell ist die Rede vom "Kultmetzger", stellt die Presse den Vergleich zu Karl Lagerfeld her. Übertrieben, findet der bodenständige Handwerker mit dem markanten Zopf. "Den Vergleich mit Karl Lagerfeld empfinde ich als überheblich. Zuerst war mein Friseur lange krank. Ich habe den Ratschlag angenommen, die Haare zusammenzubinden. Dabei habe ich es belassen. Es ist einfacher und ordentlicher." Zum Thema Kultmetzger hat der 48-Jährige auch eine Meinung: "Kultmetzger finde ich völlig daneben. Das schreiben Leute, denen nichts Besseres einfällt. Warum nicht mal neue Wortschöpfungen der Kollegen aus dem Friseurhandwerk adaptieren? Wurstschöpfer, Wurstkreateur oder Fleischstylist finde ich amüsant", sagt Peter Inhoven. "Und wenn schon, dann mag ich lieber die Bezeichnung Metzgermeister, um so das Handwerk und die Tradition zu unterstreichen." Handwerk, Tradition mit einem guten Schuss Heimatverbundenheit – das sind die Zutaten, aus denen Peter Inhoven Kraft für seinen Fulltime-Job schöpft. Im Düsseldorfer Stadtteil Wersten führt er in dritter Generation den Familienbetrieb. Kulinarisch unterstützt wird er von Ehefrau Ulli Sylvester, die einen Cateringbetrieb führt. "Und einem super Team."
Die Liebe zum Ökoberuf
Die Liebe zum Kochen stand bei der Berufswahl für Inhoven allerdings nicht an erster Stelle. "Ich darf einen Beruf ausüben, bei dem alles verwertet wird, also praktisch einen Ökoberuf." Er entscheidet sich nach der Schule bewusst, das Fleischerhandwerk zu lernen. Durch den Beruf ist die Affinität zum Kochen längst hergestellt. Zu Hause ist es aber Ehefrau Ulli, die als gelernte Köchin den Kochlöffel schwingt. "Wir als Metzger kochen mehr untereinander. Meine Frau kocht nebeneinander, mit so einer Leichtigkeit und vielen französischen Elementen. Sensationell." Für dieses Kochbuch zaubert der Wurstmagier Inhoven dennoch ein Rezept aus dem Hut. Schnibbelbohneneintopf. "Das macht Spaß. Das ist nachvollziehbar. Das ist echt. Das ist rheinisch. Das ist handwerklich und reell."
„ICH DARF EINEN BERUF
AUSÜBEN, BEI DEM ALLES
VERWERTET WIRD,
ALSO PRAKTISCH EIN ÖKOBERUF.”
Bohneneintopf
Zutaten für 4 Personen:
300 - 400 g Lammschulter, Lammhals oder ein Zungenstück
1-2 Beutel milchsäurevergorene Bohnen (nur beste Qualität nehmen)
8 Drillinge
1 Chilischote
1/2 dicke Metzgerzwiebel oder 3 Schalotten 120 g Speck
2-3 Zweige Thymian
Schmalz zum Anbraten
Zubereitung:
Peter Inhoven bereitet das Gericht gerne in einem richtig dicken Gusstopf zu. Das Schmalz sehr heiß werden lassen. Zwiebeln und Speck anbraten. Das Fleisch gewürfelt dazugeben. Die klein gedibbelten (geschnittenen) Kartoffeln, etwa so groß wie ein Fingernagel, darunter mischen. Die Kartoffeln roh etwas mit anrösten. Dann die Chilischote hinzufügen und das Ganze mit einem Schuss Brühe ablöschen. In der Zwischenzeit die Schnibbelbohnen zweimal richtig mit brühend heißem Wasser abspülen. Direkt die Bohnen auf Zwiebeln, Speck und Kartoffeln geben. Noch einmal umrühren. Durch die leichte Feuchtigkeit der Bohnen brutzelt das Ganze ein bisschen. Dann kann man mit Wasser oder Brühe auffüllen. Die Bohnen müssen leicht bedeckt sein, sodass sie nicht schwimmen. Wer es gerne knackig mag, kann sie in ca. 15 Minuten turbodämpfen. Peter Inhoven mag es lieber „rheinischmangs“. Dafür reduziert man das Wasser zur Hälfte. Anschließend den Herd auf ganz kleine Flamme stellen, sodass das Gericht nur noch köchelt. Deckel drauf. Die Bohnen verbinden sich mit den Kartoffeln. Aufpeppen kann man das noch mit einer schön geräucherten Mettwurst, einer Scheibe Kassler oder einer Räucherbacke. Einfach oben auf legen. Noch ein paar Minuten durchziehen lassen. Fertig, es kann serviert werden. Peffer, Salz nicht vergessen. Wer es mag, auch Knoblauch. Natürlich schmeckt am besten ein frisch gezapftes Altbier dazu. Selbstverständlich aus dem Hause Uerige. Und international: ein Pilsner Urquell.
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