artifex 03/2021: Motorrad
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„DUCATI-PAPST“ AUS DEM BERGISCHEN
(Foto: © Jürgen Ulbrich)
MOTORRÄDER BEGLEITEN DIETER SCHMEINK FAST SEIN GANZES LEBEN – PRIVAT WIE BERUFLICH. BEINAHE HÄTTE ER SEINE PASSION AUFGEBEN MÜSSEN.
TEXT: JÜRGEN ULBRICH
Ein Fall für Dieter Schmeink aus Odenthal nahe Köln. Hier betreibt der 61-Jährige seine freie Werkstatt „D.S. Moto“, in der er Service, Reparaturen und Umbauten von Motorrädern anbietet. Mit Erfolg, unter Kennern wird Schmeink ehrfurchtsvoll „Ducati-Papst“ und „Ducati-Schrauber mit schwarzem Gürtel“ genannt. Ohne die üblichen elektronischen Hilfen weiß er, wo der Fehler steckt.
DUCATI-SCHRAUBER MIT SCHWARZEM GÜRTEL
„Zu wenig Sprit“, erklärt Schmeink. Schnell ist der eingerissene Gummischlauch im demontierten Tank entdeckt, ebenso schnell ist er getauscht. „Ich habe bis 2004 die Vorführmaschinen von Ducati-Deutschland gewartet, die Motorrad-Journalisten für ihre Berichte Probe fuhren“, erzählt er. Das sprach sich in der Szene schnell herum, viele Ducati-Fahrer wollen ihre teuren Stücke seither in den Händen des „Meisters“ wissen.
MARC AUS ANTWERPEN HAT’S EILIG, ER WILL AUF TOUR INS BERGISCHE LAND. JETZT STREIKT SEIN BIKE, EINE IN DIE JAHRE GEKOMMENE DUCATI 916. SIE NIMMT SEHR SCHLECHT GAS AN UND KNALLT, ALS WÜRDEN GERADE KANONENKUGELN ABGEFEUERT.
Marc ist begeistert und inspiziert die Bikes in der urigen Vintage-Werkstatt, in der Gitarrist und Sänger Schmeink auch schon mal Konzerte gibt: jede Menge Ducatis, Moto Guzzis, eine Gilera Saturno, eine Laverda. Über der italienischen Kaffeemaschine hängt ein alter Guzzi-Rahmen mit Rädern, in einer Ecke liegen zwei antike Halbschalenhelme und passende Fahrerbrillen. Überall stapeln sich Ersatzteile, jeder Platz wird genutzt, denn oft ist die Werkstatt zum Bersten mit Motorrädern gefüllt.
Bereits vor der Ausbildung zum KFZ-Mechaniker im väterlichen Betrieb entwickelte Klein-Dieter sein MopedFaible. „Mein Opa hat Motorräder gebaut und mein Vater hat nach dem Krieg alles repariert, Mopeds und Kleinmotorräder, NSU und DKW“, erinnert er sich. „Ich war noch klein, als er mir einfach eine Quickly unter den Hintern geschoben hat“, erzählt er. Um den Steppke war’s geschehen, mit ersparten zehn Mark kaufte er eine NSU Max, die er „durch die Büsche trieb“.
Schmeinks weitere Zweiräder dürften vielen Bikern bekannt sein. Mit 16 eine Kreidler RS 50 mit 6,25 PS, den Motorrad-Führerschein machte er auf einer zusammengeflickten BMW R26. Die mochte er nicht – und bis heute kann er sich nicht mit den Bayern anfreunden.
„Mein erstes neues Motorrad war die Yamaha RD 250 “, sagt Schmeink, „der erste Viertakter die CB 500 Four von Honda.“ Die kostete ihn den oberen Teil seines rechten Zeigefingers, der beim Schmieren der Kette auf dem Ritzel blieb.
Gesundheitlich hingegen ging es bergab, eine als Kind nicht erkannte Fehlstellung der Hüfte schmerzte teuflisch, an ein Sitzen auf Motorrädern war kaum noch zu denken, jede Fahrt wurde zur Tortur. 2007 erhielt Schmeink ein künstliches Hüftgelenk rechts, 2011 folgte die Operation links.
Schon 2008 nach der ersten OP hatte Schmeink entschieden, seine Ducati-Vertretung aufzugeben. „Der Abnahmedruck war einfach zu groß, ich hatte hier keinen Platz für einen Showroom“, erklärt er seinen Rückzug, „seitdem kann ich unabhängig agieren, das ist viel besser.“
„ICH DACHTE NIE WIEDER MOTORRAD FAHREN ZU KÖNNEN“, SAGT ER. „ICH HABE ES MEINER FREUNDIN BEATE, SIE IST HEUTE MEINE FRAU, ZU VERDANKEN, DASS ICH WIEDER FAHRE. SIE HAT MICH DAZU GETRIEBEN, WIEDER IN DEN SATTEL ZU SRTEIGEN, NACHDEM SIE DAS MOTORRADFAHREN ENTDECKT HATTE.“
Man sieht Schmeink die Zufriedenheit an, selbst seine schwere Aorta-Prothese-OP Ende 2015 nimmt er inzwischen gelassen: „Es war eine schwierige Entscheidung, aber mir war klar, dass ich wieder Motorrad fahren werde!“ Wie jetzt zu dem neuen Haus, das er gemeinsam mit seiner Frau gebaut hat. Schmeink setzt sich auf seinen hüftschonenden Eigenbau „D.S. Moto“, lässt den 90 PS starken Ducati-Monster-Motor mit 90 Newtonmetern zwischen 2500 und 9000 Umdrehungen an – und braust davon.
Info: schmeink.net
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