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artifex 03_24 - DER JÜNGSTE MASTER OF WINE_Konstantin Baum

DAMIT DIE WELT etwas besser schmeckt

Die Ausbildung zum »Master of Wine« ist die höchste Auszeichnung der Branche. Nur etwa zehn Prozent der Teilnehmer schaffen die Prüfung. Nur rund 413 Menschen dürfen sich mit den Initialen »MW« schmücken. Einer von ihnen: Konstantin Baum, bis heute jüngster »Master of Wine« Deutschlands.

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BRIGITTE KLEFISCH

Für seine Mission, die Vielfalt der Weine, ihre Kultur und die damit verbundenen Geschmackserlebnisse wieder erlebbar zu machen, dafür ist der Experte auf der ganzen Welt unterwegs. Konstantin Baum ist aber nicht nur ein Kenner, er ist zugleich ein Geschichtenerzähler, der gerne über seine Entdeckungen spricht.

Erklingt der Name Konstantin Baum, horcht die Weinwelt auf. Im Jahr 2015 erlangte der Weinreisende die höchste Auszeichnung, die es in der Weinbranche gibt. Bis heute ist der 41-Jährige der jüngste Master of Wine. Dabei war sein Weg zum Weinexperten nicht vorgegeben. Geboren in Göttingen, aufgewachsen in Bielefeld, verbrachte er seine ersten Lebensjahre in einer Region, die sich nicht unbedingt durch erlesene Weine auszeichnet. Schon immer aber hatte er eine Vorliebe für Düfte. »Es waren tatsächlich Zigarren, die es mir am meisten angetan haben«, erzählt er im Gespräch mit artifex von seinen ersten Dufterlebnissen. Sein Interesse für Wein war da noch nicht geweckt.

Zunächst schlägt Konstantin Baum eine Karriere als Hoteldirektor ein. Er ging nach Baden-Baden, absolvierte eine Ausbildung im renommierten Brenners Park-Hotel & Spa und lernte viel über Menschen, Gastronomie und Lebensmittel. Vor allem aber fand er in der Zeit heraus, selbstständig zu handeln und zu machen.

»Meine Ausbildung würde ich heute aus einer Mischung aus Militärdrill und Psychologiestudium bezeichnen. Eine prägende Zeit«, wie er sagt. Hatte er zuvor bei seinen Eltern in Bielefeld vielleicht auf Partys mal das eine oder andere Glas Wein probiert, erlebte er erstmals in Baden-Baden den Wein mit allen Sinnen. Er kaufte Bücher, verkostete in der Weinregion Baden-Baden zahlreiche Weine, vor Restaurantwettbewerben stürzte er sich in die Thematik. Das Regal zu Hause füllte sich mehr und mehr mit Fachliteratur. Am Ende der Ausbildung stand fest: »Ich mache irgendwas mit Wein.«

Mit Sternekoch Anthony Sarpong (l.) entwickelt Konstantin Baum (Mitte) für das Restaurant »Haus Meer in Meerbusch eine der größten Weinkarten Deutschlands. Eine weitere Besonderheit: Im Restaurant bietet Sushi-Koch Jay Lee (r.) im Untergeschoss japanische Köstlichkeiten an. Foto: © Inga GeiserMit Sternekoch Anthony Sarpong (l.) entwickelt Konstantin Baum (Mitte) für das Restaurant »Haus Meer in Meerbusch eine der größten Weinkarten Deutschlands. Eine weitere Besonderheit: Im Restaurant bietet Sushi-Koch Jay Lee (r.) im Untergeschoss japanische Köstlichkeiten an. Foto: © Inga Geiser

Eine Karriere als Sommelier war zunächst naheliegend. Doch fragte sich der damals 22-Jährige da schon, was sonst kann ich noch mit dem Wein machen? Alt genug, um Wein zu trinken, war er ja. Er entschied, als Sommelier nach Irland zu gehen. Genauer gesagt nach Dublin, in das 2-Sterne-Restaurant von Patrick Guilbaud. Für den Bielefelder war es ein großer Sprung. »Ich habe in der Zeit richtig tolle Weine verkostet.« Der Master of Wine blickt bis heute gerne auf die Zeit zurück. Häufiger Gast war Bono, der Frontsänger von U2. War die Band nicht auf Tour, gehörten sie zu den Stammgästen des Restaurants. Immer wieder fachsimpelten der Sommelier und der Sänger über Weine. Insbesondere die Lieblingsweine von Bono standen im Mittelpunkt. Das war beispielsweise ein Château d,Yquem. Mit einer der teuersten Bordeaux-Weine überhaupt. »Der Château d, Yquem ist eine Ikone, wenn es um Süßwein geht«, fügt Konstantin Baum als Erklärung hinzu.

»WIR LAUFEN DURCH DEN WALD, RIECHEN UND SCHMECKEN ABER NICHT MEHR.« KONSTANTIN BAUM

Zu der Zeit war es auch, dass er das erste Mal von der Ausbildung »Master of Wine« hörte. Um den Titel zu erlangen, müssen die Teilnehmer einen anspruchsvollen und mehrstufigen Prozess durchlaufen. Er gilt als eine der bedeutendsten Auszeichnungen der Weinbranche. Bevor Konstantin Baum die berufsbegleitende Ausbildung in London begann, führte ihn sein Weg erst einmal nach Neuseeland. Dort lernte er die Herstellung eines Weins. »Zumindest die Grundlagen«, wirft der eher bescheiden auftretende Master lächelnd hinzu: Eine glückliche Zeit, »in der ich oft bis zu den Knien im Rebsaft gestanden habe.« Danach kehrte er nach Deutschland zurück. Er studierte an der renommierten Hochschule in Geisenheim Internationale Weinwirtschaft und beendete das Studium als Bachelor of Science. Jeder einzelne Schritt habe ihm geholfen, den Master of Wine erfolgreich abzuschließen.

Die Prüfung ist nicht ohne. In der Theorie müssen die Teilnehmer beweisen, dass sie gut kommunizieren und schreiben können. Im praktischen Teil steht dann an drei Tagen die Verkostung von 36 Weinen an. Nur am Geruch und Geschmack müssen die erkannt werden. Die Prüflinge wissen nicht, was geprüft wird. Alle Weine der Welt können drankommen. Sie müssen die Rebsorten kennen und aus welcher Region der Wein stammt. Kommt er aus den klassischen Anbaugebieten, müssen sie sogar wissen, aus welchem Dorf der Wein den Weg nach London fand. Nur etwa zehn Prozent der Teilnehmer schaffen die Prüfung. Konstantin Baum gehörte 2015 dazu.

Foto: © freepik.com/wirestockFoto: © freepik.com/wirestock

Seitdem ist er viele Tausende Kilometer gereist. Noch fehlen Weinanbaugebiete wie Chile oder Südafrika. »Aber ist es nicht auch schön, von einer Reise nur zu träumen?« Seine Mission bis heute aber: Dafür zu sorgen, dass es in der Welt besser schmeckt. Sein Wunsch: Dass sich die Menschen wieder bewusster mit dem eigenen Geschmackssinn beschäftigen. »Wir laufen durch den Wald, riechen und schmecken aber nicht mehr«, sagt er, davon überzeugt, dass viele bei einem Essen oder auch einem schönen Wein viel mehr schmecken und riechen könnten.

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Für dieses Ziel berät er mit seinem unschätzbaren Wissen Weinhandel und Gastronomie. Im Restaurant »Haus Meer« in Meerbusch ist er gerade damit beschäftigt, mit Sternekoch Anthony Sarpong eine der größten Weinkarten Deutschlands zusammenzustellen. Wichtig ist ihm zudem, bei den Menschen die Unsicherheiten auszuräumen, für einen wahren Weingenuss alles über Wein wissen zu müssen. Selbst räumt Konstantin Baum ein, noch längst nicht alles über Wein zu wissen. »Wein ist so ein vielschichtiges Thema«, räumt er ein. »Wein gab es, bevor das Rad erfunden wurde. Wein spielte schon beim letzten Abendmahl eine Rolle. Als die Arche gestrandet ist, hat Noah als Erstes einen Weinstock gepflanzt.« Worte, die Mut machen, dem eigenen Geschmackssinn nachzugehen.

Für seine Berufung wird der Master of Wine weiterhin weltweit unterwegs sein. In der Zwischenzeit vermittelt er all sein Wissen unterhaltsam mit einer positiven Energie auf seinem YouTube-Kanal. Mehr als 149.000 Abonnenten lauschen seinen lebhaften Themen rund um Wein, Weinlagerung und Geschmack. Zum Wohlsein also! Auf ein Getränk, das Gemeinschaft und Gesellschaft vereint, für eine kulturelle Vielfalt steht und dabei mit Genuss und Raffinesse das Leben etwas schöner macht.

Interview
Konstantin Baum leitet das Online-Handelsunternehmen baumselection.com. Immer auf der Suche nach Entdeckungen seltener Schätze, erzählt er dort Geschichten, aufregender, unentdeckten Wein. Weiterhin ist er zuständig für das Weinprogramm im Brenners-Park-Hotel Baden-Baden sowie Botschafter des »California Wine Institutes« in Europa. 2019 wurde er zudem unter die fünfzig größten Talente gewählt und dafür mit dem »WSET & IWSC« Future 50 Award« ausgezeichnet.

Wie wird der Weinjahrgang 2023?
2023 war ein schwieriges Jahr in vielen Anbaugebieten. Relativ warm, recht kühl und feucht. Der Herbst war in Deutschland durchwachsen. In Südeuropa dagegen war es sehr trocken. In der Toskana haben sich trotzdem Pilzkrankheiten gebildet. Das heißt aber nicht, dass die Weine schlecht sind. Die Winzer sind nur bei der Lese wählerischer. In Kalifornien zum Beispiel war das Jahr außergewöhnlich. Es wurde spät gelesen, da während der Reifephase der Trauben das Wetter sehr kühl war. Dennoch sind Winzer dort zufrieden. Mit Blick auf die Dreierjahrgänge waren 2013, 2003 und 1993 auch eher schwierig. Vielleicht ist es das verflixte Jahr?

Dein Lieblingswein?
Die Weinsorte, die ich gerade neu entdecke.

Wie stehst Du zu biologischen Weinen?
Bio-Weine hatten lange Zeit einen richtig schlechten Ruf. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten stark geändert. Gerade im Spitzenbereich gehört ein Bio-Wein ins Sortiment. Bio-Wein kann man nicht schmecken. Ich finde biologische oder nachhaltig produzierte Wein nicht unbedingt besser. Aber vom Ansatz her ist es der richtige Weg.

War Dein Geburtsjahr 1982 ein guter Jahrgang?
Das kommt darauf an, in welcher Region die Trauben reiften. Im Bordeaux war der Jahrgang legendär gut. Auch in den Regionen Piemont und Rioja brachte das Jahr ausgezeichnete Weine hervor. In Deutschland waren die Weine weniger hochwertig und auch im Châteauneuf-du-Pape wurden aus dem Jahrgang eher schlechte Weine abgefüllt.

Wie stehst Du zu alkoholfreien Weinen?
Da tut sich momentan viel. Zurzeit erleben wir, dass Alkohol immer mehr verpönt wird. Aktuell ist der Weinkonsum stark rückgängig. Ich selbst achte sehr bewusst darauf, wie ich mit Wein umgehe. Es gibt Zeiten, an denen ich keinen Wein oder nicht zu viel zu trinken. Das ist zum Beispiel der »Dry January«. Da trinke ich keinen Wein. Die Devise lautet bei anstehenden Verkostungen »Probieren, aber nicht trinken!«

Daher ist für mich der alkoholfreie Wein selten eine Alternative. Die meisten Produkte finde ich eher unspannend. Das ist für mich wie ein veganes Steak oder ein veganer Burger. Wenn ich keinen Alkohol trinken möchte, und das kommt häufiger vor, dann trinke ich doch lieber einen sehr guten Fruchtsaft oder einen Tee, anstatt einen Wein, dem etwas entzogen wurde und der eine schlechte Kopie des Originals ist.

Bei Schaumwein sieht es da schon besser aus. Es ist zurzeit ein Trend. Vielleicht gibt es in ein paar Jahren sehr gute Alternativen. Das ist wie Essen, bei dem man das Fett weglässt. Es wird das komplette Geschmackserlebnis verändert.

Was sind Deine Ziele für 2024?
Ich möchte die Weinkarte im »Haus Meer« in Meerbusch richtig etablieren. Das Restaurant soll als Standort bekannt werden, wo guter Wein verkostet werden kann.


artifex 03/2024: Wein - Seite 7